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Umverteilung – wie viel sind Deutschland die Familien wert?

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  • Miriam Beblo
  • Wido Geis-Thöne
  • Katharina Wrohlich
  • Thomas Krüger
  • Martin Werding
  • Verena Bentele
  • Sebastian Heimann
  • Volker Meier
  • Maximilian Joseph Blömer
  • Lilly Fischer
  • Andreas Peichl

Abstract

Miriam Beblo, Universität Hamburg, zeigt, dass die staatlichen Ausgaben in Deutschland für familien- und ehebezogene Maßnahmen im europäischen Mittelfeld liegen. In ihrer Gesamtheit bewirkten die Familienleistungen eine Umverteilung von Haushalten mit hohen zu Haushalten mit niedrigen Einkommen, allerdings seien viele Maßnahmen nicht zielgenau und einige begünstigten eine wenig gleichstellungsförderliche Arbeitsteilung innerhalb des Haushaltes mit entsprechenden Spezialisierungsrisiken. Da die Erwerbstätigkeit beider Elternteile das wichtigste Mittel gegen Kinderarmut darstellt, sollte gerade eine armutsvermeidende Familienpolitik gleichzeitig vereinbarkeitsfördernd sein und der Entstehung solcher asymmetrischen Spezialisierungsrisiken noch stärker entgegenwirken. Wido Geis-Thöne, Institut der deutschen Wirtschaft, zeigt, dass Deutschland im Vergleich mit den anderen EU-Ländern bei dem Erreichen familienpolitischer Ziele, wie beispielsweise der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Vermeidung von Armutsrisiken für Familien, nur im europäischen Mittelfeld liegt. Es könnte trotz der angespannten Haushaltslage sinnvoll sein, noch mehr Mittel für familienpolitische Leistungen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehöre der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur, die sowohl für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch für die Entwicklungschancen der Kinder von entscheidender Bedeutung sei. Die Diskussion um das Elterngeld im Sommer 2023 kreiste vor allem um die Frage, ob es gerecht ist, das Elterngeld für sehr einkommensstarke Elternpaare zu streichen. Aus Sicht von Katharina Wrohlich, DIW Berlin und Universität Potsdam, ist dabei die Diskussion um andere Reformen beim Elterngeld untergegangen. Mehr als 15 Jahre nach seiner Einführung müsse das Elterngeld an anderen Stellen dringend nachgeschärft werden, um die damals erklärten Ziele – unter anderem die ökonomische Eigenständigkeit beider Elternteile und eine gleichmäßigere Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen Müttern und Vätern – heute stärker zu befördern. Nach Ansicht von Thomas Krüger, Deutsches Kinderhilfswerk, sind bei den diskutierten Haushaltskürzungen beim Elterngeld und der Kindergrundsicherung Familien, die in prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen leben, die Leidtragenden. Die geplanten Kürzungen des Elterngeldes zielen zwar maßgeblich auf privilegierte Bevölkerungsschichten ab. Dies sei von einem Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit legitim. Das Elterngeld müsste aber weitergehend reformiert werden, damit es überhaupt in ausreichendem Maße den Familien zugutekomme, die es dringend brauchen. Eine „Umverteilung von oben nach unten“ sei ein gangbarer Weg für eine verantwortungsvolle Familienpolitik. Für Martin Werding, Ruhr-Universität Bochum und Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist es nachvollziehbar aber bedauerlich, dass für die Kindergrundsicherung ab 2025 – nach Anhebung des Kindergelds und anderer familienpolitischer Leistungen – nur ein recht geringer zusätzlicher Betrag zur Verfügung steht. In den kommenden Jahren sollte ein weiterer Ausbau folgen, bei dem einem höheren Zusatzbetrag für armutsgefährdete Kinder mehr Bedeutung gegeben wird als einem höheren Sockelbetrag für alle. Verena Bentele, Sozialverband VdK Deutschland, zeichnet ein ambivalentes Bild von der finanziellen Familienförderung in Deutschland. Zwar würden beträchtliche Mittel für diesen Zweck bereitgestellt, aber es gebe auch beträchtliche Hürden. So trage die Komplexität des Systems, die Anrechnung von Leistungen und die unklare Kommunikation dazu bei, dass eine substanzielle Anzahl von Familien nicht in den vollen Genuss der staatlichen Unterstützung käme. Um sicherzustellen, dass die Leistungen direkt bei den Kindern ankommen, sei eine weitgehende Automatisierung der Auszahlungsprozesse nötig. Ebenso sollten die Leistungen für Kinder, wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderregelsätze und Kinderfreibeträge, zu einer einzigen Leistung zusammengefasst werden. Sebastian Heimann, Deutscher Familienverband, fragt nach dem Maß für die richtige Balance zwischen staatlichen Eingriffen zur Umverteilung und individueller Verantwortung. Das Ausmaß für soziale Gerechtigkeit hänge dabei sowohl von dem politischen Gestaltungswillen als auch der Gesetzgebung ab, die dem jeweiligen richterlichen Zeitgeist unterliege. Damit Familien den nötigen Stellenwert in der Politik erhalten, sei ein Wahlrecht ab Geburt zu empfehlen, das auf die Eltern übertragen werden sollte, bis ihre Kinder selbst das Wahlrecht ausüben könnten. In einer Reihe von europäischen Ländern haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die gesellschaftlichen Normen gewandelt, was auch mit einer gestiegenen Akzeptanz arbeitender Mütter und somit mit einer erhöhten Erwerbstätigkeit von Frauen einherging. Volker Meier, ifo Institut, zeigt, dass letzterer Prozess zu einem temporären Anstieg und einem anschließenden Absinken der Umverteilung zugunsten von Haushalten mit nur einem Verdiener führen kann, wie es in Schweden und Deutschland mit der Einführung und Abschaffung des Betreuungsgelds zu beobachten war. Maximilian Blömer, Lilly Fischer und Andreas Peichl, ifo Institut, stellen eine Aktualisierung des Reformvorschlags für das deutsche Einkommensteuer- und Transfersystem vor. Mit ihm werden Leistungsanreize geschaffen, die die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern erhöhen. Dadurch würden 172.000 Personen eine Beschäftigung aufnehmen und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 184.000 Vollzeitäquivalente steigen. Durch die Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Ehegattenrealsplitting und die Erhöhung der Kinderfreibeträge würde die Besteuerung von Familien neu konzipiert. Ein weiteres Element reformiert die bestehenden Grundsicherungssysteme durch die Integration von Wohngeld, Kinderzuschlag und Bürgergeld bei angepassten Hinzuverdienstregelungen.

Suggested Citation

  • Miriam Beblo & Wido Geis-Thöne & Katharina Wrohlich & Thomas Krüger & Martin Werding & Verena Bentele & Sebastian Heimann & Volker Meier & Maximilian Joseph Blömer & Lilly Fischer & Andreas Peichl, 2023. "Umverteilung – wie viel sind Deutschland die Familien wert?," ifo Schnelldienst, ifo Institute - Leibniz Institute for Economic Research at the University of Munich, vol. 76(09), pages 03-36, September.
  • Handle: RePEc:ces:ifosdt:v:76:y:2023:i:09:p:03-36
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