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Abstract
Die noch in den siebziger Jahren kaum bestrittene Auffassung, daß die Kluft im Entwicklungsstand zwischen den Industriestaaten und der Dritten Welt durch finanzielle und technische Hilfe der wohlhabenden Länder entscheidend verringert werden könne, wird immer häufiger angezweifelt. Empirische Untersuchungen zeigen, daß die Entwicklungshilfe den gestellten Ansprüchen nicht gerecht geworden ist. Die eigenen Sparanstrengungen der begünstigten Staaten wurden entmutigt. Wachstumseffekte blieben vor allem dort aus, wo sie am dringendsten erforderlich gewesen wären, etwa in Schwarzafrika. Dem Versuch, durch eine Ausweitung des öffentlichen Ressourcentransfers und eine Konzentration der Hilfe auf die Bedürftigsten bessere Ergebnisse als früher zu erzielen, ist bisher kein Erfolg beschieden. Außerdem haben die Geberländer die Entwicklungshilfe zunehmend für ihre eigenen wirtschafts- und außenpolitischen Interessen eingesetzt. Es ist überdies unwahrscheinlich, daß mehr Entwicklungshilfe oder andere Schwerpunkte die wirtschaftliche Lage in der Dritten Welt überhaupt nachhaltig verbessern können. In vielen Ländern stellt nicht Kapitalmangel den zentralen Engpaß dar; vielmehr verhindern entwicklungshemmende Sozialstrukturen und falsche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, daß die Hilfe effizient absorbiert werden kann. Staatliche Kapital- und Gütertransfers verursachen Verzerrungen der Preis- und Produktionsstrukturen in den Entwicklungsländern. Eigenanstrengungen sind oftmals nicht mehr lohnend oder werden als verzichtbar angesehen. Für die Geberländer ergibt sich ein "Samariter- Dilemma", weil die anfängliche Unterstützung immer neue Hilfsbedürftigkeit erzeugt. Um die durch staatliche Entwicklungshilfe ausgelösten wirtschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen zu stoppen, sollten die Industrieländer statt permanenter Unterstützung vorrangig kurzfristige Katastrophenhilfe gewähren. Weiterhin scheint es sinnvoll, die Rolle privater Organisationen sowohl auf der Geber- als auch auf der Empfängerseite zu stärken. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Organisationen sollte gefördert werden, damit eine möglichst effiziente Verwendung der Mittel gewährleistet ist. Entwicklungshilfe sollte ferner nur dann geleistet werden, wenn die Wirtschaftspolitik der Empfängerstaaten dazu beiträgt, daß sie nutzbringend eingesetzt werden kann. Notwendige Korrekturen der Rahmenbedingungen in der Dritten Welt sind jedoch erst dann durchzusetzen, wenn die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen. Vor allem müssen sie durch eine Öffnung ihrer Märkte für die Exporte aus den Entwicklungsländern eine wichtige Voraussetzung dafür schaffen, daß sich deren Abhängigkeit von externer Hilfe verringert.
Suggested Citation
Nunnenkamp, Peter, 1985.
"Entwicklungshilfe zwischen Anspruch und Wirklichkeit,"
Kiel Discussion Papers
115, Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel).
Handle:
RePEc:zbw:ifwkdp:115
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