Author
Listed:
- Töpfer, Felix
- Reher, Leonie
Abstract
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 stellte ein Novum in der deutschen Arbeitsmarktpolitik dar. Ziel war der Schutz vor Lohnarmut im Niedriglohnsektor, ohne die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung zu gefährden. Diese Arbeit untersucht auf qualitativer Grundlage die wirtschaftlichen Auswirkungen des Mindestlohns auf Handwerksbetriebe, exemplarisch analysiert am Beispiel von Bäckereien in Südniedersachsen. Das Bäckerhandwerk ist als Niedriglohnbranche in besonderer Weise vom Mindestlohn betroffen und befindet sich ohnehin seit Jahrzehnten im Strukturwandel. Sinkende Betriebszahlen und Konzentrationsprozesse, wachsende Konkurrenz durch den Lebensmitteleinzelhandel und Discounter sowie technische Rationalisierung prägen die Branche. Hinzu kommen Fachkräftemangel, gestiegene Energie- und Rohstoffpreise sowie eine abnehmende Ausbildungsbereitschaft, welche die wirtschaftliche Stabilität vieler Handwerksbäckereien zusätzlich gefährden. Anhand von sechs teilstrukturierten Interviews auf Ebene der Geschäftsführung werden konkrete betriebliche Anpassungsreaktionen identifiziert und in den bestehenden Forschungskontext eingeordnet. Dabei beschreiben die befragten Betriebe sowohl die Einführung des Mindestlohns als auch seine Erhöhungen als Belastung. Die Zielsetzung des Gesetzes wird dabei nicht grundsätzlich abgelehnt, wohl aber die fehlende Differenzierung und Umsetzung. Herausfordernd sei insbesondere die notwendige Anpassung des gesamten Lohngefüges, da Lohnabstände betriebsintern gewahrt werden müssten. Ein Stellenabbau fand in den befragten Betrieben nicht statt und wird auch künftig ausgeschlossen. Angesichts des Fachkräftemangels und der arbeitsintensiven Produktionsweise sehen die Betriebe keine Alternative zur Personalbindung. Gleichzeitig werde die Personalgewinnung schwieriger, insbesondere im Verkauf. Die Attraktivität der Arbeitsplätze leide ohnehin unter vergleichsweise unattraktiven Arbeitsbedingungen wie frühen Arbeitszeiten und anspruchsvoller körperlicher Arbeit, wodurch Lohnangleichungen zu anderen Branchen schwerer ins Gewicht fallen. Preissteigerungen der Endprodukte bilden somit die häufigste betriebliche Reaktion. In mehreren Interviews wurden außerdem sozialpolitische Fehlanreize thematisiert, die entweder zur Stundenreduzierung oder Ablehnung von Jobangeboten seitens der Arbeitnehmer führten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Auswirkungen des Mindestlohns im Handwerk vielschichtig sind. Zwar konnten keine unmittelbaren negativen Beschäftigungseffekte im Bäckereihandwerk festgestellt werden, die wirtschaftliche Belastung - insbesondere kleinerer Betriebe - ist jedoch evident. Die direkten Personalkostensteigerungen reihen sich dabei in die Vielzahl von bestehenden Herausforderungen ein und können nicht isoliert betrachtet werden. Die befragten Unternehmen fordern daher eine stärkere Berücksichtigung ihrer betrieblichen Rahmenbedingungen bei zukünftigen Regulierungen sowie Möglichkeiten zur flexibleren Anwendung der Mindestlöhne, um letztlich den Fortbestand kleinbetrieblicher Strukturen im Handwerk zu sichern.
Suggested Citation
Töpfer, Felix & Reher, Leonie, 2025.
"Effekte des Mindestlohns auf Handwerksbetriebe: Eine Analyse von Bäckereien in Südniedersachsen,"
ifh Forschungsberichte
27, Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh).
Handle:
RePEc:zbw:ifhfob:319618
DOI: 10.47952/gro-publ-305
Download full text from publisher
Corrections
All material on this site has been provided by the respective publishers and authors. You can help correct errors and omissions. When requesting a correction, please mention this item's handle: RePEc:zbw:ifhfob:319618. See general information about how to correct material in RePEc.
If you have authored this item and are not yet registered with RePEc, we encourage you to do it here. This allows to link your profile to this item. It also allows you to accept potential citations to this item that we are uncertain about.
We have no bibliographic references for this item. You can help adding them by using this form .
If you know of missing items citing this one, you can help us creating those links by adding the relevant references in the same way as above, for each refering item. If you are a registered author of this item, you may also want to check the "citations" tab in your RePEc Author Service profile, as there may be some citations waiting for confirmation.
For technical questions regarding this item, or to correct its authors, title, abstract, bibliographic or download information, contact: ZBW - Leibniz Information Centre for Economics (email available below). General contact details of provider: https://edirc.repec.org/data/ifgoede.html .
Please note that corrections may take a couple of weeks to filter through
the various RePEc services.