IDEAS home Printed from https://ideas.repec.org/p/zbw/ifwkwp/761.html
   My bibliography  Save this paper

Nationale Umweltpolitik im Konflikt mit dem Europäischen Binnenmarkt? Das Beispiel der deutschen Verpackungsgesetzgebung

Author

Listed:
  • Dicke, Hugo
  • Neu, Axel Dietmar

Abstract

Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hat im November 1991 einen ersten Entwurf für eine Verordnung zur Förderung von Getränkemehrwegsystemen vorgelegt; offen ist, ob dieser Entwurf, wie ursprünglich vorgesehen, im Jahre 1997 in Kraft gesetzt wird. Dieser Entwurf sieht unter anderem vor, Mehrwegverpackungen einschließlich Kästen zu vereinheitlichen. Im vorliegenden Beitrag werden die wirtschaftlichen und die rechtlichen Implikationen einer Vereinheitlichung von Mehrwegsystemen behandelt. Verpackungsmüll ist eine Begleiterscheinung des privaten Konsums. Die Umwelt vor einem Übermaß an Verpackungsmüll zu schützen, ist eine Aufgabe, die - nach verbreitetem Verständnis - der Staat besser erfüllen kann als der Markt. Der Konsens hört auf, wenn es um die Frage geht, welche Mittel am besten geeignet sind, die Umwelt zu schützen. Weder im deutschen noch im europäischen Rechtssystem sind die Mittel definiert, mit denen der Schutz der Umwelt vor Verpackungsmüll auf bestmögliche Weise erreicht werden kann. Das bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber bei der Wahl der Mittel im Umweltschutz freie Hand hat. Er ist vor allem durch das Grundgesetz und durch internationales Recht in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Die rechtliche Analyse hat gezeigt, daß das EG-Recht wie auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Verabschiedung einer Getränkemehrwegverordnung, die auf ein vereinheitlichtes Getränkemehrwegsystem hinausläuft, enge Grenzen setzt. Diese Grenzen werden im wesentlichen durch das Erfordernis des freien innergemeinschaftlichen Handels gesetzt. Die sogenannte Dassonville- Formel gibt benachteiligten Herstellern und Vertreibern von Getränkemehrwegsystemen wie auch von Einwegsystemen einen großen Handlungsspielraum wenn es darum geht, eine Diskriminierung ausländischer Anbieter zu beseitigen. Davon ausgehend kann der deutsche Gesetzgeber sich allenfalls auf die Verabschiedung einer GetränkemehrwegV beschränken, die ausschließlich zwischen inländischen Anbietern diskriminiert. Der Verabschiedung einer GetränkemehrwegV stehen Bestimmungen des Grundgesetzes entgegen, insbesondere Artikel 2 Absatz 1 (Allgemeines Freiheitsrecht), Artikel 14 Absatz 1 (Eigentumsrecht, insbesondere auf das Vermögenswerte Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb) sowie Artikel 12 Absatz 1 GG (Freiheit der Berufsausübung). Beschwerden gegen eine solche GetränkemehrwegV sind daher vorhersehbar. Sie hätten - sowohl auf nationaler wie auf EG-Ebene - durchaus Erfolgschancen. Denn der Nachweis einer unzureichenden Verbesserung der Umweltbedingungen durch die GetränkemehrwegV ist dem Gesetzgeber (noch) nicht gelungen und außerdem gibt es Anhaltspunkte, daß die Kosten einer Getränkemehrwegverordnung - die nicht zuletzt darin liegen, daß diskriminierte Inländer ihre inländischen Produktionsanlagen schließen und ins Ausland verlegen - angesichts der zweifelhaften Gewinne im Bereich des Umweltschutzes unverhältnismäßig hoch sind. Die Analyse der Wirtschaftlichkeit der Entwürfe von Verordnungen für die Förderung und Vereinheitlichung von Mehrwegsystemen hat ergeben, daß die diesen zugrundeliegenden Annahmen über ökologische und ökonomische Wirkungen durchweg unzutreffend oder wissenschaftlich nicht nachgewiesen sind. Dies gilt a fortiori für die zahlreichen Vorschläge zum Verpackungswesen, die die Entwürfe der Bundesregierung an Regulierungsintensität noch übertreffen. Die Bundesregierung wäre gut beraten, statt sich mit Überregulierungen enger Bereiche - wie den der Getränkemehrwegsysteme - zu befassen, alle ökologischen Problembereiche so gleichmäßig wie möglich zu behandeln. Das bedeutet, daß alle umweltbelastenden Bereiche nach dem ökonomischen Prinzip der gleichen Grenzerträge zu regulieren wären. Der in DM gemessene Ertrag im Umweltbereich muß für jede DM an Aufwendungen in allen ökologischen Problembereichen gleich hoch sein. Von den Erträgen im Umweltbereich sind die zusätzlichen Kosten abzuziehen, die den Konsumenten in Form einer schlechteren Versorgung und/oder in Form höherer Preise entstehen; in Ökobilanzen wird dies nicht immer berücksichtigt. Zu den wichtigen Problembereichen gehören fraglos die Landwirtschaft, der Verkehr zu Wasser, zu Lande und in der Luft, der Bergbau etc. Bei einer Novellierung der Verpackungsverordnung und vor Inkraftsetzung des Entwurfs einer Getränkemehrwegverordnung sind aus ordnungspolitischer Sicht die Vorschriften des Entwurfs über eine vom Gesetzgeber angeordnete Vereinheitlichung (Standardisierung) von Getränke-Mehrweggebinden ersatzlos zu streichen. Gestrichen werden sollten bei der Novellierung der Verpackungsverordnung die Mehrwegquoten als Auslöser für die Inkraftsetzung eines Pflichtpfandes für Einweg- Getränkeverpackungen mit Mehrphasenpfanddurchlauf. Damit würde sich die Bundesregierung gleichzeitig einen ziemlich aussichtslosen Prozeß vor dem Europäischen Gerichtshof und Schadenersatzklagen benachteiligter inländischer Getränkehersteller ersparen.

Suggested Citation

  • Dicke, Hugo & Neu, Axel Dietmar, 1996. "Nationale Umweltpolitik im Konflikt mit dem Europäischen Binnenmarkt? Das Beispiel der deutschen Verpackungsgesetzgebung," Kiel Working Papers 761, Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel).
  • Handle: RePEc:zbw:ifwkwp:761
    as

    Download full text from publisher

    File URL: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/47087/1/257789006.pdf
    Download Restriction: no
    ---><---

    More about this item

    Statistics

    Access and download statistics

    Corrections

    All material on this site has been provided by the respective publishers and authors. You can help correct errors and omissions. When requesting a correction, please mention this item's handle: RePEc:zbw:ifwkwp:761. See general information about how to correct material in RePEc.

    If you have authored this item and are not yet registered with RePEc, we encourage you to do it here. This allows to link your profile to this item. It also allows you to accept potential citations to this item that we are uncertain about.

    We have no bibliographic references for this item. You can help adding them by using this form .

    If you know of missing items citing this one, you can help us creating those links by adding the relevant references in the same way as above, for each refering item. If you are a registered author of this item, you may also want to check the "citations" tab in your RePEc Author Service profile, as there may be some citations waiting for confirmation.

    For technical questions regarding this item, or to correct its authors, title, abstract, bibliographic or download information, contact: ZBW - Leibniz Information Centre for Economics (email available below). General contact details of provider: https://edirc.repec.org/data/iwkiede.html .

    Please note that corrections may take a couple of weeks to filter through the various RePEc services.

    IDEAS is a RePEc service. RePEc uses bibliographic data supplied by the respective publishers.