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Kalte Progression in Zeiten hoher Inflation: Wer trägt die Lasten?

Author

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  • Maximilian Joseph Blömer
  • Florian Dorn
  • Clemens Fuest
  • Matthias Warneke
  • Martin Beznoska
  • Tobias Hentze
  • Björn Kauder
  • Robin Jessen
  • Torsten Schmidt
  • Nadine Riedel
  • Gisela Färber
  • Gunter Mayr
  • Dénes Kucsera
  • Hanno Lorenz

Abstract

Maximilian Blömer, Florian Dorn und Clemens Fuest, ifo Institut, untersuchen die Aufkommens- und Verteilungswirkungen der kalten Progression und der steuerpolitischen Tarifanpassungen der Jahre 2022 und 2023. Sie zeigen, dass die Maßnahmen zwar die Steuerzahler*innen im Vergleich zum Vorjahrestarif entlasten, dies aber insgesamt die steuerlichen Mehrbelastungen durch die kalte Progression der beiden betrachteten Jahre nicht ausgleicht. Eine Tarifindexierung, die an nominalen Einkommenssteigerungen und nicht an der Inflationsrate ansetzt, würde die Wirkungen der kalten Progression zielgenauer ausgleichen, da sich die durchschnittliche Steuerlast enger an der durchschnittlichen Entwicklung der steuerpflichtigen Einkommen orientieren würde. Für Matthias Warneke, Deutsches Steuerzahlerinstitut, sind der Abbau der kalten Progression und damit die Berücksichtigung der Inflation zugunsten der Steuerzahler*innen ein finanzwissenschaftliches Gebot, um dem Prinzip der Leistungsfähigkeit gerecht zu werden. Deshalb sollte ein „Tarif auf Rädern“ im Einkommensteuergesetz verankert werden, der die Tarifformel automatisch an die jährlichen Inflationsraten anpasst. Martin Beznoska, Tobias Hentze und Björn Kauder, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, sehen in einem automatischen Ausgleich der kalten Progression vor allem die Mitte der Einkommensverteilung vor Mehrbelastungen geschützt. Hierbei werden die nominalen Eckwerte des Einkommensteuertarifs automatisch an die Preisentwicklung angepasst. Gleiches gilt für Freibeträge, Freigrenzen und weitere Abzugsmöglichkeiten im Steuerrecht. Damit könnten heimliche und demokratisch nicht legitimierte Steuererhöhungen ausgeschlossen werden. Robin Jessen und Torsten Schmidt, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, schlagen vor, die steigende Steuerbelastung durch eine Indexierung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs anhand des durchschnittlichen Lohnwachstums zu vermeiden. Denn der reine Inflationsausgleich führe bei steigenden Reallöhnen dazu, dass das Lohnsteueraufkommen in Relation zur Lohnsumme zunimmt. Nadine Riedel, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, fragt, ob das Inflationsausgleichsgesetz oder gar ein „Tarif auf Rädern“ die richtige Art sei, mit dem Problem der kalten Progression umzugehen. Ihrer Ansicht nach behebt eine Bindung der Tarifeckwerte an die Inflationsrate die kalte Progression nicht zielgenau. Die Ursachen der Inflation und die Effekte des Progressionsausgleichs auf Staatsquote, Einkommensverteilung und Effizienz müssten berücksichtigt werden. In manchen Situationen könne es sogar angebracht sein, den Progressionsausgleich auszusetzen. So hätte sich in der aktuellen Krise der Vorteil ergeben, dass sinnvoll einsetzbare Ressourcen im Staatssektor verblieben wären. Gisela Färber, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, sieht neben der Notwendigkeit des Abbaus der kalten Progression noch einige andere grundsätzliche Probleme von Steuersystemen, wie z. B. die Belastung der Steuerpflichtigen mit Bürokratie. Zudem bestehe auch steuerpolitischer Bereinigungsbedarf bei anderen Steuerarten. Die Anpassung des Einkommensteuertarifs sowie verschiedenster Freibeträge an die Steigerungen der Verbraucherpreise verursache Steuermindereinnahmen gegenüber dem nicht angepassten Steuerrecht. Diese seien aber gerechtfertigt. Gunter Mayr, Bundesministerium für Finanzen, Wien, stellt das „Teuerungsentlastungspaket Teil II“ des österreichischen Finanzministeriums vor. Vorgesehen ist die automatische Anpassung der Stufen der Einkommensteuertarife an die Inflation als dauerhafte strukturelle Maßnahme. Dies sei ein „Gebot einer fairen Besteuerung“, da die kalte Progression bisher zu schleichenden Steuererhöhungen, ohne dass diese vom Gesetzgeber so beschlossen wurden, geführt habe. Dénes Kucsera und Hanno Lorenz, Agenda Austria, Wien, zeigen die Verteilungswirkungen der zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft getretenen Abgeltung der kalten Progression in Österreich auf. Es ergibt sich ein höheres Entlastungsvolumen für Männer und für Erwerbstätige als für Frauen und für Pensionist*innen. Da die Reform zu einer automatischen Entlastung im Ausmaß von zumindest zwei Drittel des Gesamtausmaßes führt – über die Rückgabe des letzten Drittels entscheidet die Politik jedes Jahr neu – sei zur vollständigen und gerechten Kompensation der kalten Progression jedoch eine Indexierung des gesamten Tarifverlaufs erforderlich.

Suggested Citation

  • Maximilian Joseph Blömer & Florian Dorn & Clemens Fuest & Matthias Warneke & Martin Beznoska & Tobias Hentze & Björn Kauder & Robin Jessen & Torsten Schmidt & Nadine Riedel & Gisela Färber & Gunter Ma, 2023. "Kalte Progression in Zeiten hoher Inflation: Wer trägt die Lasten?," ifo Schnelldienst, ifo Institute - Leibniz Institute for Economic Research at the University of Munich, vol. 76(02), pages 03-36, February.
  • Handle: RePEc:ces:ifosdt:v:76:y:2023:i:02:p:03-36
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