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Der Markt für Zucker

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  • Haß, Marlen

Abstract

Auf dem Weltmarkt lagen die Preise für Zucker im Zuckerwirtschaftsjahr 2018/19 (ZWJ, Okt.-Sept.) das zweite Jahr in Folge auf einem historisch niedrigen Niveau. Hauptursache hierfür war der weltweite Produktionsüberschuss des ZWJ 2017/18, der zu einem Aufbau hoher Lagerbestände geführt hat. Vor allem in Indien, Thailand und der Europäischen Union (EU) hatte die Erzeugung ein Rekordniveau erreicht. Im vergangenen ZWJ 2018/19 wurde global betrachtet zwar wieder weniger Zucker erzeugt, sodass die weltweite Erzeugung in etwa dem globalen Verbrauch entsprach, die hohen Lagerbestände haben aber weiterhin Druck auf die Preise ausgeübt. Anders als in den Vorjahren wird für das ZWJ 2019/20 jedoch ein globales Versorgungsdefizit erwartet, wodurch das Preisniveau sich allmählich wieder erholen könnte. Dies setzt jedoch voraus, dass Brasilien weiterhin einen hohen Anteil seiner Zuckerrohrernte zu Ethanol verarbeitet. Aufgrund des anhaltend niedrigen Preisniveaus an den internationalen Zuckerbörsen hat Brasilien auch im ZWJ 2018/19 an seiner Strategie festgehalten, die Zuckererzeugung zugunsten der Ethanolherstellung einzuschränken. So ist Brasilien im ZWJ 2018/19 lediglich das zweitgrößte Zucker produzierende Land der Welt. Angeführt wird das Ranking zum zweiten Mal in Folge von Indien, wo die Erzeugung auf dem Rekordniveau des Vorjahres verblieben ist. An dritter Stelle bleibt die EU, auch wenn die Erzeugung im zweiten Jahr nach Aufhebung des EU-Quotensystems aufgrund trockener Witterungsbedingungen wieder deutlich gesunken ist. In der Rangliste der Länder mit dem weltweit höchsten Zuckerverbrauch ergeben sich im ZWJ 2018/19 keine Änderungen. Indien bleibt weiterhin das Land mit dem größten Verbrauch von Zucker und führt das Ranking mit deutlichem Abstand vor der EU und China an. Auch langfristig wird Indien voraussichtlich das Land mit der stärksten absoluten Nachfragesteigerung bleiben, da der Verbrauch in der EU stagniert und sich über die letzten Jahre in der Tendenz eher rückläufig entwickelt hat. Gleichzeitig bleibt in China der Marktanteil und die Konkurrenz durch stärkebasierte Süßungsmittel hoch. Im Zuckerhandel kommt es im ZWJ 2018/19 unter den größten Exporteuren erneut zu Verschiebungen. Während Brasilien das Ranking trotz rückläufiger Exporte weiterhin mit deutlichem Abstand anführt und auch Thailand den zweiten Platz behaupten kann, haben sich die Exporte der EU gegenüber dem Vorjahr halbiert, wohingegen Indien den Absatz auf dem Weltmarkt mehr als verdoppelt hat. So ist Indien im ZWJ 2018/19 – unterstützt durch ein umfangreiches Subventionsprogramm der indischen Regierung – das drittgrößte Zucker exportierende Land der Welt, wohingegen die EU im Ranking der weltweit größten Zuckerexporteure auf den sechsten Rang abgerutscht ist. Gleichzeitig ist die EU wieder im Ranking der weltweit größten Importeure von Zucker vertreten und erreicht hier ebenfalls den sechsten Platz. Angeführt wird das Ranking wie im Vorjahr von Indonesien, vor China und den USA. Nicht nur auf dem Weltmarkt, sondern auch in der Europäischen Union (EU) lag der Zuckerpreis im ZWJ 2018/19 auf einem historisch niedrigen Niveau. Bereits im Vorjahr war das Preisniveau auf dem EU-Binnenmarkt infolge der Aufhebung der Produktionsquoten für Zucker und einer erheblichen Steigerung der EU-Zuckererzeugung regelrecht abgestürzt. Im ZWJ 2018/19 wurde in der EU aufgrund trockener Witterungsbedingungen zwar wieder weniger Zucker produziert, trotzdem hat sich das Preisniveau auf dem EU-Binnenmarkt kaum erholt. Dies ist einerseits dadurch zu erklären, dass im Laufe des Jahres die hohen Lagerbestände des Vorjahres abgebaut wurden. Aufgrund des anhaltend niedrigen internationalen Preisniveaus war zudem auch der Absatz auf dem Weltmarkt weiterhin wenig attraktiv. Langfristig könnte der EU-Zuckerpreis jedoch wieder anziehen. Denn nicht nur im ZWJ 2018/19 war die Versorgungslage deutlich knapper als im ersten Jahr nach dem Ende des EU-Quotensystems, auch in der Ernte 2019 sind die Rübenerträge ersten Schätzungen zufolge erneut unterdurchschnittlich ausgefallen, sodass die Zuckererzeugung voraussichtlich in etwa auf dem Vorjahresniveau liegen wird. Zudem haben die Südzucker AG sowie Cristal Union bereits im Frühjahr 2019 die Schließung von insgesamt sieben Zuckerfabriken in Frankreich (4), Deutschland (2) und Polen (1) angekündigt. Damit werden zunächst ausschließlich Werke in den drei größten Zucker produzierenden Ländern der EU geschlossen. Trotz des niedrigen Preisniveaus auf dem EU-Binnenmarkt hat sich der Zuckerverbrauch im ZWJ 2018/19 gegenüber dem Vorjahr erneut leicht rückläufig entwickelt. Gründe hierfür könnten die anhaltende gesellschaftliche Diskussion um ernährungsbedingte Erkrankungen sowie die wachsende Anzahl politischer Maßnahmen zur Reduzierung des Zuckerkonsums sein. So wird mit Italien ab Juli 2020 auch das drittgrößte Zucker konsumierende Land der EU eine Zuckersteuer erheben. In Osteuropa reihen sich Polen und Rumänien in die Liste der Länder ein, die den Konsum zuckerhaltiger Produkte zukünftig beteuern wollen. Auch in Frankreich, dem Land mit dem zweithöchsten Zuckerverbrauch in der EU, wird bereits seit 2012 eine Zuckersteuer erhoben, wohingegen in Deutschland andere Maßnahmen ergriffen wurden, um den Zuckerkonsum zu senken. Trotzdem bleibt Deutschland auch im ZWJ 2018/19 das Land mit dem höchsten Zuckerverbrauch in der EU. Dabei deckt Deutschland seinen Zuckerbedarf im Wesentlichen durch die eigene Erzeugung, die deutlich über dem Verbrauch liegt. So ist die Bundesrepublik im ZWJ 2018/19 erneut hinter Frankreich und vor Polen das zweitgrößte Zucker exportierende Land der EU. Insgesamt haben sich die EU-Zuckerexporte in Drittstaaten gegenüber dem Vorjahr halbiert, wohingegen die Importe vom Weltmarkt wieder deutlich angestiegen sind. Am meisten Zucker wurde dabei von Großbritannien, Spanien und Italien importiert. Wichtigstes Herkunftsland für EU-Zuckerimporte bleibt Brasilien, gefolgt von Südafrika und Swasiland. Insbesondere aus Swasiland sind die Importe zuletzt wieder stark angestiegen, aber auch Mosambik, Serbien und Laos haben wieder an Bedeutung gewonnen. Auf der Exportseite bleiben der Nahe Osten, Nordafrika und Länder in unmittelbarer EU-Nachbarschaft wichtige Absatzmärkte für die EU. Mit Blick auf die kommenden Jahre steht die Zuckerbranche vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Während kurzfristig vor allem das niedrige Preisniveau Unternehmen weltweit in die roten Zahlen rutschen lässt, ist langfristig die zukünftige Ausgestaltung der politischen Rahmenbedingungen für die Zuckerbranche von hoher Bedeutung. So bietet der Abschluss weiterer Handelsabkommen die Chance auf zusätzlich Absatzmöglichkeiten, öffnet den heimischen Markt aber auch für wettbewerbsstarke Konkurrenten. In diesem Zusammenhang ist für die EU-Zuckerwirtschaft insbesondere der unmittelbar bevorstehende Brexit sowie das im Jahr 2019 ausgehandelte Mercosur-Abkommen von hoher Relevanz. Nicht nur in der EU, sondern weltweit hat in den letzten Jahren außerdem die Ernährungspolitik stark an Bedeutung gewonnen. Durch politische Maßnahmen zur Senkung des Zuckerkonsums sowie die anhaltende gesellschaftliche Diskussion um ernährungsbedingte Erkrankungen könnte sich das globale Wachstum des Zuckerverbrauchs langfristig abschwächen und die Zuckernachfrage in heute bereits gesättigten Märkten sogar fallen. Letzteres trifft auch auf die Entwicklung der EU-Zuckernachfrage zu. Gleichzeitig muss der EU-Zuckermarkt nach der Aufhebung des EU-Quotensystems in den kommenden Jahren ein neues Gleichgewicht finden. Hierbei sind für die Branche einheitliche Wettbewerbsbedingungen wichtig, um einer Konzentration der Produktion auf die wettbewerbsfähigsten Standorte nicht entgegenzuwirken. So bietet die GAP-Reform 2020 die Chance auf eine stärkere Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen in der EU durch eine Abschaffung der gekoppelten Direktzahlungen für Zuckerrüben. Auch eine striktere Durchsetzung des Anwendungsverbots für Neonikotinoide ohne nationale Ausnahmeregelungen würde zu einer Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen beitragen.

Suggested Citation

  • Haß, Marlen, 2020. "Der Markt für Zucker," German Journal of Agricultural Economics, Humboldt-Universitaet zu Berlin, Department for Agricultural Economics, vol. 69(Supplemen), April.
  • Handle: RePEc:ags:gjagec:334240
    DOI: 10.22004/ag.econ.334240
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